Antrag / Anfrage / Rede
Ökologische und wirtschaftliche Probleme durch den Stadionneubau
Anfrage zur Stadtratssitzung am 23.04.2008
Der Standort für das „Multifunktionale Stadion“ in der Bretzenheimer Gemarkung hat zu kontroversen Diskussionen und viel Unverständnis in der Bevölkerung geführt. Neben der Kritik an den klimaökologischen Beeinträchtigungen durch die Standortwahl wird die Diskussion ebenfalls von den problematischen Finanzierungskonzepten begleitet, bei denen die Risiken allein bei der Stadt Mainz liegen. Aufgrund der komplexen Ausgangslage in Bezug auf Klima, Lärm, Verkehr, Landschaftsschutz und Landwirtschaft erscheint ein Raumordnungsverfahren sinnvoll. Auch die politischen Gremien sind zu diesen Sachverhalten bisher nicht informiert worden.
Wir fragen daher an:
1. Raumordnung/Landschaftsbild
1.1 Das Raumordnungsverfahren (ROV) stellt ein vorklärendes Gutachten zur Beurteilung der Raumverträglichkeit raumbedeutsamer Einzelvorhaben mit überörtlicher Bedeutung dar. Es klärt dabei, ob eine Maßnahme mit den Zielen und Grundsätzen des Raumordnungsgesetzes vereinbar ist und wie raumbedeutsame Maßnahmen aufeinander abgestimmt werden können. Ist aus Sicht der Verwaltung ein solches Raumordnungsverfahren erforderlich? Wenn nein, warum nicht?
1.2 Wie bewertet die Verwaltung die Lage des geplanten Stadions in einem Regionalen Grünzug? Wie will die Stadt dies in Einklang mit der vorliegenden Planung bringen?
1.3 Das von der Stadt vorgegebene Prinzip, bei städtebaulichen Erschließungen sich an dem Prinzip der „fünf Finger“, d.h. der fünf Entwicklungsachsen, zu orientieren, wurde bei der Planung des neunen Stadionstandortes massiv missachtet. Wie beurteilt die Verwaltung diesen Verstoß gegen die eigenen Planungsgrundsätze?
1.4 Welche Ausgleichsmaßnahmen werden am Standort geschaffen, um die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes durch das Stadion zu kompensieren?
2. Klimaschutz/Nahverholung
2.1 Die Verwaltung hat sich nach Aussagen von verschiedenen Dezernenten in Bezug auf die klimaökologischen Probleme vor der Aufstellung des Bebauungsplanes B 157 durch einen Gutachter unterrichten lassen. Gibt es hierzu eine schriftliche Stellungnahme, ein Protokoll- oder Aktenvermerk nebst inhaltlichen Aussagen? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, warum wurde dies den Fraktionen bisher nicht zur Verfügung gestellt?
2.2 Durch Umweltdezernent Wolfgang Reichel wurde von verschiedenen Ausgleichsmaßnahmen gesprochen, um die klimaökologischen Beeinträchtigungen durch den Stadionbau zu kompensieren. Um welche Maßnahmen handelt es sich nach derzeitigem Diskussionsstand?
2.3 Welche Auswirkungen hat die Beeinträchtigung der Klimaventilationsbahn für Bretzenheim und für die Innenstadt konkret?
2.4 Neben dem Wegfall von klimaökologischen Funktionen kommt es zu einer Einschränkung der Nutzung für die Naherholung in diesem Areal. Wie und wo soll dies für die Bretzenheimer Bürgerinnen und Bürger ausgeglichen werden?
2.5 Wie viele Bauprojekte im Bereich des Bretzenheimer Feldes wurden in den vergangenen 20 Jahren mit klimaökologischen Begründungen abgelehnt und modifiziert? Wir bitten eine ausführliche Aufstellung – nötigenfalls in nicht-öffentlicher Sitzung – den Fraktionen zur Verfügung zu stellen.
3. Standortumfeld/Standortauswahl
3.1 Ist damit zu rechnen, dass sich im Bereich des B 157 oder auch in benachbarten Grundstücken eine weitere Bebauung, z.B. im gewerblichen Bereich, durch die Verwaltung in die Wege geleitet wird? Wenn nein, wie will die Verwaltung im Rahmen der Bauleitplanung den Schutz der Freiflächen durchsetzen? Welche Möglichkeiten gibt es bzw. sind beabsichtigt, diese Flächen dauerhaft und rechtsverbindlich wirksam unter Schutz vor weiterer Bebauung zu stellen?
3.2 Sind im Umfeld des Stadions der Bau von Hotels und gastronomischen Einrichtungen geplant?
3.3 Welche weiteren Einrichtungen und Nutzungen sind im Umfeld des projektierten Multifunktionsstadions geplant?
3.4 Wo genau sind die Mindestabstände zu den Wohngebieten definiert und wie groß müssen diese sein? Gibt es in einzelnen Bundesländern weitergehende Vorschriften?
3.5 Die Suche nach dem „16. Standort“ wurde allein unter dem Aspekt der Verfügbarkeit von Liegenschaften geführt, obwohl von Anfang klar sein musste, dass dieser Standort erhebliche ökologische Probleme aufwirft. Gab es zu dem jetzt beschlossenen Standort noch weitere „nicht-öffentliche“ Optionen oder wurde sich lediglich auf den Standort im jetzigen B 157 konzentriert?
3.6 Der Standort im Hechtsheimer Wirtschaftspark Süd wurde von der Vereinsführung abgelehnt, obgleich bei diesen Grundstücken auch Einnahmen für die Stadt Mainz erzielt worden wären. Wie hoch wären diese Einnahmen ungefähr gewesen und wer hätte diese Einnahmen verbucht (GVG oder Stadt)? Welche Gründe hat die Vereinsführung für diese Ablehnung konkret geltend gemacht?
3.7 Gemäß der Niederschrift vom 07.12.2005 wurden ein Antrag zu einer umfassenden Standortsuche durch unsere Fraktion nebst zwei Änderungsanträgen von CDU und Grünen in eine gemeinsame Sitzung des Haupt- und Bauausschusses verwiesen, aber nie wieder zur Behandlung aufgerufen. Darin forderten wir eine vergleichende Bewertung aller Kriterien, wie z.B. Finanzen, Stadtentwicklung, Verkehr. Warum wurden diese Anträge nie mehr aufgerufen, denn bei dieser Lösung hätte der Stadtrat die Standortwahl selbst entscheiden können?
4. Verkehrliche Erschließung
4.1 Die Koblenzer Straße ist heute bereits sehr stark belastet. Ist damit zu rechnen, dass diese Straße zukünftig vierspurig ausgebaut wird? Welche Lärmschutzmaßnahmen für die benachbarten Wohngebiete wären dann denkbar?
4.2 Wo überall sind wie viele Parkflächen vorgesehen? Wie sollen dann die Fans zum Stadion kommen?
4.3 Wie viele Fans kommen mit dem öffentlichen Nahverkehr und müssen mit Shuttlebussen zum Stadion gebracht werden? Wer stellt diese Busse zur Verfügung? Wer zahlt die Einrichtung von Shuttlebussen?
5. Wirtschaft/Gewerbliche Nutzungen im Stadion
5.1 Wie beurteilt die Verwaltung den Bau des Stadions für das Bretzenheimer Gewerbe und die Gastronomie? Welche wirtschaftlichen Effekte werden hier erwartet?
5.2 Sind in dem neuen Multifunktionalen Stadion weitere Nutzungen geplant? Wenn ja, welche Art von Nutzungen? Wenn nein, wie ist dies wirtschaftlich zu vertreten?
5.3 Ist mit Public Viewing Veranstaltungen z.B. zur WM und EM in dem neuen Stadion zu rechnen?
5.4 Warum wird ein ausgewiesener Fachmann für die Vermarktung Multifunktionaler Arenen seitens Mainz 05 verpflichtet, wenn man eine entsprechende Nutzung eher ausschließt?
5.5 Ist es nicht sogar EU-Recht, diese Multifunktionalität zu gewährleisten, und reicht dann überhaupt eine derart - wie behauptet - geringfügige zusätzliche Vermarktung aus, um den Status des Multifunktionalen Stadions zu haben?
6. Landwirtschaft
6.1 Wie soll den Landwirten (Pächtern) der nunmehr projektierten Fläche der wirtschaftliche Verlust ersetzt werden? Kann die Stadt Mainz entsprechende Ersatzflächen zu gleichen Konditionen zur Verfügung stellen?
6.2 Wie beurteilt die Verwaltung die Nutzung von landwirtschaftlichen Böden höchster Güte für ein neues Fußballstadion?
6.3 Wie soll das Zertrampeln der Äcker und das Abpflücken von Obst im Umfeld des Stadions verhindert werden?
6.4 Wie soll die Vermüllung der Felder verhindert werden und wer kümmert sich um die Entsorgung des Abfalls?
6.5 Wer ersetzt den Landwirten ihre Ausfälle durch mögliche Schäden?
6.6 Wie sollen ähnliche Beeinträchtigungen durch die Fans im benachbarten Wohngebiet Am Ostergraben verhindert werden?
7. Wirtschaftliche Probleme durch das neue Stadion
7.1 Wie rechtfertigen sich die bisher getätigten Investitionen am alten Standort am Bruchweg? Hier wurden in den letzten Jahren nach Aufstellung von Finanzdezernent Kurt Merkator rund 25 Millionen Euro investiert.
7.2 Welche Kosten kommen auf die öffentliche Hand zu, wenn zu einem späteren Zeitpunkt die alte Anlage am Bruchweg zurückgebaut wird?
7.3 Bei etlichen Stadionneubauten kam es zu Mehrkosten von bis zu 25%. Woher nimmt die Stadt Mainz bzw. die GVG weitere finanzielle Mittel, sollte sich der Kostendeckel von 60 Millionen Euro für das neue Multifunktionale Stadion nicht halten lassen?
7.4 Ist die Finanzierung des Stadionneubaus, insbesondere für den Abstiegsfall von der 2. Bundesliga in die Regionalliga (in Zukunft so genannte 3.Bundesliga), von der Verwaltung im Hinblick auf die finanzielle Tragfähigkeit (Abzahlung der Zinsen und geplanter Kommunalkredit von 32,5 Millionen Euro) überprüft worden? Wenn ja, mit welchem Ergebnis? Wenn nein, warum nicht? Welche Maßnahmen werden ergriffen, sollten die Pachtzahlung durch Mainz 05 ausbleiben und/oder der Verein nicht mehr in der 1. oder 2. Bundesliga spielen. Ist dann an eine Zusatzvereinbarung gedacht und wäre diese juristisch möglich?
7.5 Es ist beabsichtigt, dass die zu zahlenden 7,5 Millionen Euro des Vereins für die geplante stadtnahe Gesellschaft wieder an diesen zurückfließen werden, sofern die Pacht regelmäßig entrichtet wird. Was bedeutet dies genau und wann soll das Geld wieder an den Verein zurückgezahlt werden?
7.6 Was passiert, wenn der Zahlungsrückstand der jährlichen Pachtzahlungen des Vereins die 7,5 Millionen Euro, die seitens des Vereines in die geplante städtische Gesellschaft eingezahlt wurden, überschreitet? Wer haftet für die Einnahmeausfälle? Wer tritt in finanzielle Vorlage?
Dr. Claudius Moseler,
Fraktionsvorsitzender ödp/Freie Wähler