Pressemitteilung
Konnexitätsprinzip: Stadt muss gegen das Land klagen
Haushaltsrede der ÖDP-Stadtratsfraktion am 03.12.2014
Sehr geehrte Anwesende:
wir beraten heute über den Verwaltungsentwurf für den Doppelhaushalt der Jahre 2015-16. Hierbei ist unübersehbar, dass es der Stadtspitze nach wie vor nicht gelingt, eine alljährliche Neuverschuldung in zweistelliger Millionenhöhe zu vermeiden.
Zahlreiche Sparmaßnahmen wurden ergriffen, manche davon sind nicht unumstritten. Und auf den ersten Blick mag man glauben, es sei auf diese Weise immerhin gelungen, das im letzten Doppelhaushalt prognostizierte Defizit von 65 Mio Euro für jedes der Jahre 2015 und 2016 auf 38 Mio Euro zu senken.
Die ÖDP ist dennoch enttäuscht: Statt 38 Mio Euro dürften es eigentlich nur 5 Mio Euro sein! Wieso?
Nun ja, unbestritten ist, dass der Kommunale Entschuldungsfonds des Landes zur Senkung des Defizits beiträgt – wenngleich er die Stadt natürlich überhaupt nicht entschuldet, ja nicht einmal von ihren Altschulden befreit. Vor dem Hintergrund eigener Einsparbemühungen in Höhe von ca. 10,5 Mio Euro erhält die Stadt Mainz aus dem Kommunalen Entschuldungsfonds immerhin einen Zuschuss in Höhe von ca. 21 Mio Euro. Insgesamt ergibt sich hieraus schon die gesamte oben genannte Defizitsenkung.
Andererseits darf nicht übersehen werden, dass die Stadt aufgrund veränderter gesetzlicher Rahmenbedingungen (Landesfinanzausgleich) seit dem Jahr 2014 einen weiteren, neuen Landeszuschuss erhält, die sog. Schlüsselzuweisung C. Diese beträgt laut Haushaltsplan für die nächsten beiden Jahre rund 30 Mio Euro pro Jahr – und müsste eine zusätzliche Defizitsenkung zur Folge haben.
Im Klartext bedeutet dies: Hätte sich der städtische Haushalt gegenüber der Prognose aus den letzten Haushaltsberatungen strukturell nicht verschlechtert, so müsste die Neuverschuldung vor dem Hintergrund der erhöhten Zuschüsse jetzt eigentlich auf ca. 5 Mio Euro (anstelle 38 Mio Euro) pro Jahr geschrumpft sein. Da dies nicht der Fall ist, sind offenbar erhebliche strukturelle Veränderungen im Haushaltsplan enthalten, die das Defizit negativ beeinflussen.
Die entscheidende Ursache für die Misere hat unser Bürgermeister und Finanzdezernent bei der Einbringung des Haushaltes benannt: Die Nicht-Einhaltung des sog. Konnexitätsprinzips. Es geht um die unabweisbaren Ausgaben der Stadt auf Grund von Gesetzesvorschriften, die vom Land oder Bund erlassen wurden, für die die Stadt Mainz jedoch (wie jede andere Kommune auch) keine ausreichende finanzielle Ausstattung von den gesetzgebenden, übergeordneten Gebietskörperschaften erhält.
In gewisser Weise ist dies sogar eine gute Nachricht: Denn das Minus von 38 Mio Euro lässt sich in ein Plus von bis zu 50 Mio Euro verwandeln!
Gemäß schriftlicher Auskunft des Finanzdezernats vom 21.10.2014 belief sich der von Land und Bund vorenthaltene finanzielle Ausgleich innerhalb der letzten 5 Jahre nämlich auf insgesamt rund 420 Mio Euro, davon allein im Jahr 2014 auf über 93 Mio Euro.
Daher fordert die Stadtratsfraktion der ÖDP den Finanzdezernenten erneut (wie auch schon in den letzen Haushaltsberatungen) dazu auf, endlich den Weg der Klage zu beschreiten. Die Stadt Mainz hat sich in Bezug auf das Konnexitätsprinzip kürzlich einem Aktionsbündnis einiger rheinland-pfälzischer Kommunen angeschlossen. Warum ein Aktionsbündnis und keine Klage? Die Klage ist der direkte Weg. Sie ist zudem auch erfolgversprechend, da zumindest das Land Rheinland-Pfalz die Einhaltung des Konnexitätsprinzips vor einigen Jahren in seiner Verfassung verankert hat. Selbst wenn am Ende nur die Hälfte der 93 Mio Euro bei uns ankommt – die Neuverschuldung lässt sich auf diese Weise neutralisieren. Dies ist der erste und wichtigste Punkt unseres Begleitantrages zum Doppelhaushalt. Die Fraktionen von SPD, Grünen und FDP ziehen es stattdessen zur Freude des Finanzdezernenten vor, Steuererhöhungen zu propagieren. Wie zum Beispiel die Erhöhung der Grundsteuer B um 3 Mio Euro oder die der Hundesteuer um unergiebige 0,5 Mio Euro. Aus unserer Sicht ist dies der vollkommen falsche Weg, da die Bürgerinnen und Bürger so für die fehlende Initiative der Stadt zur Kasse gebeten werden.
Ein weiterer zentraler Punkt unseres Begleitantrages: Wir wollen den Sanierungsstau bei den öffentlichen Gebäuden abbauen! Dieser Sanierungsstau ist allen Bürgerinnen und Bürgern unserer Stadt nicht zuletzt durch die Diskussion über unser Rathaus deutlich vor Augen geführt worden. Das ist aber nur das prominenteste Beispiel. Ebenso schlimm – wenn nicht sogar schlimmer – ist die unterlassene Instandhaltung beispielsweise der vielen Schulen und Kindergärten, der Bürgerhäuser oder des Mainzer Schlosses.
Die Gebäudewirtschaft Mainz schätzt in ihrem Wirtschaftsplan für 2015 (Punkt 55 der heutigen Tagesordnung), dass der Sanierungsstau bei mindestens 191 Mio Euro liegt. Wir schlagen daher in Punkt 4 unseres Begleitantrages vor, diesen Sanierungsstau durch eine Investitionsoffensive mit überschaubaren jährlichen Kosten abzubauen. Volle 50 Mio Euro gibt es bereits für magere 1,25 Mio Euro pro Jahr!
Denn das gegenwärtige Zinstief ermöglicht es, einen Investitionskredit über 50 Mio Euro mit Kosten von max. 3,75 Mio Euro pro Jahr zu finanzieren und zugleich innerhalb von 20 Jahren komplett zu tilgen. Mit dieser Summe kann ein Viertel des von der Gebäudewirtschaft Mainz genannten Sanierungsstaus aufgelöst und einem Ausufern der Sanierungskosten entgegengewirkt werden. Die investierten Mittel führen dabei zu einem bilanziellen Mehrwert an den Gebäuden der Stadt, so dass im Grunde nur der in obiger Summe enthaltene Zinsaufwand von ca. 1,25 Mio pro Jahr zu Buche schlägt. Wir meinen, dass uns der Erhalt unserer Gebäude diese 1,25 Mio Euro pro Jahr wert sein muss.
Auch Effizienzsteigerungen sind ohne Zusatzkosten möglich! Hier schwebt uns unter anderem die Beauftragung einer Unternehmensberatung vor, die mit ungetrübtem Blick von außen die tatsächlichen Effizienzsteigerungspotentiale aufdeckt und analysiert. Die Entlohnung erfolgt ganz einfach durch prozentuale Beteiligung an den durch Umsetzung der vorgeschlagenen Maßnahmen eingesparten Mitteln.
Aber auch die Finanzierung des Staatstheaters muss immer wieder auf den Prüfstand gestellt werden, saugt es doch den Löwenanteil des Kulturetats auf. Hier schlagen wir vor, Verhandlungen mit dem Land zu führen. Ziel soll es sein, das gegenwärtige Finanzierungsverhältnis Land : Stadt = 1 : 1 in Richtung einer stärkeren Beteiligung des Landes zu verändern. Dies lässt sich vor allem damit begründen, dass es sich beim Mainzer Theater um das einzige Staatstheater in Rheinland-Pfalz handelt – alle anderen sind Stadt- bzw. Landestheater.
Weitere Maßnahmen zur mittelfristigen Verbesserung des städtischen Haushaltes entnehmen Sie bitte unserem Antragstext. Wie immer bitten wir um Ihre Zustimmung zu unserem Antrag.